Wissen Sie eigentlich, wie Ihr Kind am besten lernt?

von Barbara Prashnig


04.07.2016

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Alle Kinder, vor allem jüngere, sind sehr daran interessiert, die Welt zu entdecken und eifrig zu lernen. Aber wenn sie in die Schule gehen, passiert etwas mit ihrem Lernhunger: manche Kinder übertreffen sich selbst beim Lernen, die meisten werden zu guten Schülern, aber zu viele scheinen zurück zu bleiben. Einige Kinder - häufiger Jungen als Mädchen - entwickeln sich zu leistungsschwachen Schülern, entwickeln sich sogar zu Rebellen und im schlimmsten Fall werden sie zu Schulabbrechern. Ich möchte hier die Gründe dazu nennen, aber was noch wichtiger ist, praktikable Lösungen anbieten.


Traditionelle Glaubenssätze über Lernen und Lehren verursachen Schulversagen

Trotz guter Schulen und engagierter Pädagogen kämpfen zu viele Schüler mehr als einmal während ihrer Schulzeit, vor allem in akademischen, wissenschaftlichen Fächern. Einer der Gründe dafür ist, dass die meisten Bildungseinrichtungen zu traditionell sind und Unterricht immer noch frontal erfolgt mit dem Schwerpunkt auf Hören und Lesen und damit nicht genug Anregung für alle Sinne gegeben ist. Es liegt die Annahme zugrunde, dass Kinder am besten lernen können, wenn sie aufrecht an einem Schreibtisch in hell erleuchteten Klassenzimmern sitzen, den Lehrer ansehen, dem Vortrag zuhören und sich Notizen machen. Dieser "One-fits-all“ Ansatz (eine Methode passt für alle) und die Strategie „auf Klassenarbeiten/Tests hin zu unterrichten“ sollen den Schulerfolg bringen. Aber für viele Schüler ist das Gegenteil harte Realität:
Sie werden frustriert, verlieren die Motivation, geraten ins Hintertreffen und scheitern letztlich, oder schaffen es gerade noch, aber haben die Freude am Lernprozess verloren.


Small is beautiful - Klein ist Schön

Es klingt vielleicht eigenartig, aber so kleine Dinge wie Stühle oder Lichtverhältnisse spielen eine wichtige Rolle. Die wissenschaftliche Forschung sagt uns, dass aufrechtes Sitzen auf einem harten Stuhl den ganzen Körper zu stark belastet. Denken Sie daran: wenn Sie sitzen, müssen ca. 75% des Körpergewichts von nur 10 Quadratzentimetern Knochen unterstützt werden. Kein Wunder, dass dies für Kinder unbequem ist und sie auf ihren Stühlen zappeln! Viele würden viel besser lernen, wenn sie auf Sitzkissen in der Klasse oder zu Hause auf einer Couch sitzen oder auf dem Bett liegen dürften. Und helles Licht kann die Ursache für Stress bei jüngeren Kindern oder Teenagern sein, deren Vorliebe es ist, bei gedämpftem Licht zu lernen. Was das Zuhören in der Klasse betrifft, ist  das auch nicht jedermanns Sache, weil das Zuhören von längeren Vorträgen im Unterricht gegen ihre Lernstilpräferenzen geht.


Was sind die Lernstile (LS) und warum ist es nicht nur für Lehrer wichtig, sondern auch für Eltern, darüber Bescheid zu wissen.

Ein Lernstil (LS) ist die individuelle Art und Weise eines Menschen, neue und/oder schwierige, komplexe Informationen aufzunehmen und zu verstehen. Kinder lernen jeden Tag etwas Neues. Wenn sie sich selbst überlassen sind, werden sie instinktiv auf eine Weise lernen, die für sie am besten funktioniert. Mit anderen Worten: sie werden immer ihren eigenen einzigartigen LernStil verwenden. Aber wenn sie in die Schule kommen, werden sie plötzlich gezwungen, auf eine Art zu lernen, die vom Bildungssystem akzeptiert wird. Leider sind die offiziell unterstützten, traditionellen Methoden nicht immer der optimale Weg für jeden Schüler, am besten zu lernen. Diese Nichtübereinstimmung von Lern- und Unterrichtsstilen führt dazu, dass Kinder physisch nicht in der Lage sind, sich in der Klasse zu konzentrieren, und letztendlich werden sie unaufmerksam und schwierig, oft leistungsschwach oder langfristig zu Problemschülern.


Gibt es einen typischen Lernstil für ein typisches Kind?

Wenn es um Lernstile geht, gibt es nichts Typisches. Es gibt 49 Elemente im LernStil Pyramiden Modell, und miteinander können diese buchstäblich Millionen von Kombinationen bilden.

      Pyramidenmodell der LernStil Analyse (LSA)
Pyramidenmodell der LernStil Analyse (LSA)

Außerdem haben Lernstile nichts mit Stigmatisierung zu tun. Selbst eine Kategorisierung ist trügerisch - es wäre leicht, Schüler als ‚visuelle‘, ‚auditive‘ oder ‚kinästhetische‘ Lerner zu bezeichnen, so wie viele andere LS-Modelle dies tun, um diese dann entsprechend zu unterrichten. Aber das funktioniert so nicht, ist irreführend und unangemessen, weil Stile eine komplexe Kombination von Stilmerkmalen sind, die zusammenwirken. Viele verändern sich währen der Kindheit, einige bleiben lebenslang stabil, andere ändern sich häufig. Menschen haben aber auch Flexibilitäten, die eine Stärke in sich selbst sind.


Wie könnte beispielsweise der Lernstil eines Kindes aussehen?

Nehmen wir Sandra, die acht Jahre alt ist. Sie liebt das Lesen und setzt gerne Puzzles zusammen. Ihre Lehrerin sagt, dass sie eine Menge Potenzial hat, aber einfach nicht  lernen will, obwohl sie gern lesen mag. In der Klasse schaut sie immer nach unten, spielt mit den Fingern oder Stiften, faltet die Ecken ihrer Schulhefte oder kritzelt am Rand herum. Die Lehrerin sagt, dies beweise, dass sie nicht zuhört. Doch tatsächlich hört Sandra zu. Sie strengt sich so stark an zuzuhören, dass sie ihre Hände beschäftigt halten muss, um konzentriert zu bleiben. In Lernstil-Terminologie würde man sagen, dass Sandra eine visuelle (Wort-basierte) und taktile Schülerin ist, mit einer Nicht-Präferenz für Informations-aufnahme durch Zuhören. Aber dies ist natürlich nur ein kleiner Teil von Sandras Lernstil: wir wissen noch nicht, ob sie analytische oder ganzheitliche Tendenzen hat, was ihre Vorlieben bezüglich der Lernumgebung sind, ob sie Hintergrundmusik oder eher Stille braucht, helles oder gedämpftes Licht benötigt, am besten allein oder in einer Gruppe lernt, was sie motiviert, wie ihre Ausdauer ist, ob sie Anleitung oder Routine beim Lernen braucht und vieles mehr. Nur die Ergebnisse eines LernStil Profils (LSA) können die entsprechenden Antworten geben.


Was ist für Eltern der beste Weg, den Lernstil ihres Kindes zu analysieren?

Auf unserer Website können Sie Ihr Kind den Online-Fragebogen beantworten lassen. Nachdem Sie die Antworten online absenden, können Sie sofort das persönliche LSA Profil herunterladen und die Ergebnisse diskutieren.


Gibt es Tipps für Leser, die Jugendliche in Ihrer Familie haben?

Ja, das höchste Gut eines Kindes ist sein Selbstwertgefühl. Es kommt von ‚gut sein‘ in verschiedenen Dingen. Nach der Grundschulzeit, die für Schüler meist angenehm ist, erleben viele Jugendliche die Mittelschule als schwierig und unangenehm. Sie kämpfen mit theoretischen Fächern und kommen oft zu dem Punkt, die Schule abzulehnen und weiteres Lernen für sich zu beenden. Dies ist ein klares Zeichen für nicht aufeinander abgestimmte Lern- und Unterrichts-Stile. Auch Eltern sollten über Lernstile Bescheid wissen, um zu verstehen, wie sie zu Hause Lernhilfe und Unterstützung geben können. Aus diesen Gründen haben wir das LSA-Swift Instrument für Teenager geschaffen. Das LSA Profil ist eine exzellente Informationsquelle, nicht nur für die Jugendlichen selbst, sondern auch gleichermaßen für Lehrer und Eltern. Es hilft, die wahren natürlichen Lernbedürfnisse von jungen Menschen während der Pubertät zu verstehen und bietet praktische Ratschläge über Lernstrategien, die ihnen während dieser oft schwierigen Jahre ihrer Schullaufbahn die richtige Unterstützung geben.


Weniger Stress mit Hausübungen

Egal wie alt Ihre Kinder sind - das Wissen über Lernstile wird in jedem Fall eine große Hilfe sein, sich selbst besser zu verstehen und Pädagogen helfen, persönliches Lernen effektiver zu unterstützen. Aber am wichtigsten ist vielleicht, dass zu Hause das Leben leichter gemacht wird, weil die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern verbessert und der Stress um Hausaufgaben und Tests oder Prüfungsvorbereitungen somit stark reduziert werden kann.

Ich weiß, worüber ich spreche - meine Tochter war eine brillante Problemschülerin  als Teenager - und ich hätte mir gewünscht, schon damals über Lernstile Bescheid gewusst zu haben!


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Über Barbara Prashnig

Professor Barbara Prashnig, ein Pionier und Visionär in Sachen Stilunerschiede beim Lernen und Arbeiten sowie persönlicher Weiterentwicklung. Ihre Leidenschaft ist es, Menschen in schwierigen Situationen durch besseres Selbst-Verstehen zum Erfolg zu verhelfen. Sie ist Gründer und CEO von Creative Learning Systems in Auckland, Neuseeland.



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